Zwischen den Höhenrücken an der Sieg und dem Siebengebirge am Rhein liegt das Pleiser Ländchen. Wenig beachtet, aber geradezu ideal für eine Frühlingstour, bei der ich am liebsten möglichst wenig im Wald und möglichst viel in der Sonne laufe. Nur anfangs gehe ich streckenweise auf dem Bergischen Weg und dem Weg der deutschen Einheit, ich will diesmal weiter südlich wandern und neue Wege und den Eulenberg erkunden.
Mit der Regionalbahn fahre ich nach Eitdorf. Durch das Städtchen gehe ich in Richtung Süden hinauf zu dem mit einem X markierten Wanderweg und folge diesem nach Westen. In einem Vorgarten vor einem der letzten Häuser von Eitdorf hat ein kreativer Mensch Blechskulpturen aufgestellt: Lustige Männchen und Gesichter. Besonders mag ich, dass der Bastler einen Hang zu Backformen hat: Ein Männchen hat eine Springform als Uniformkappe, Tortenboden-Formen mit ihren geriffelten Rändern sind die Ohren eines großen Gesichts und wer genau hinsieht, erkennt, dass eine Backform für ein Osterlämmchen als Nase verwendet wurde. Vor ein paar Wochen habe ich noch so ein gebackenes Osterlämmchen bei Freunden gesehen.
Ich habe heute zwar kinderfrei, aber freue mich trotzdem, dass der Bastler an eines seiner Werke bestehend aus einem Fahrradsattel auf einer großen Feder und einem Lenker ein Schild angebracht hat, dass das Aufsitzen gestattet. Wie nett! So oft muss man seine Kinder, gerade wenn sie noch kleiner sind, zurückpfeifen, dass sie nicht alles anfassen und auf alles draufklettern, was spannend aussieht.
Stille Seitentäler der Sieg
Ich folge dem Weg zwischen den Feldern über den Hügelrücken und schaue ein letztes Mal zurück über das Siegtal. Bei dem wunderbaren Vorfrühlingswetter nutze ich die Gelegenheit mal eine etwas längere Tour zu machen: Ich quere von der Bahnstrecke an der Sieg durchs Pleiser Ländchen hinüber zur Bahnlinie am Rhein. Jetzt geht es steil hinab ins Krahbachtal, ein ruhiges Seitental der Sieg mit einem Bach, der mäandern darf und gepflegte Wiesen. Das Gras ist an den letzten warmen Tagen gewachsen und leuchtet geradezu im Gegenlicht.
Weiter geht es im Tal des Ravensteiner Bachs. Das nachts für die Krötenwanderung gesperrte Sträßchen wechselt auf die andere Talseite, ich aber folge dem Weg am Hangfuß oberhalb des Baches. Vor allem Reiter scheinen diesen Weg zu benutzen. Feucht durch das Wasser vom Hang, ist der Weg ganz schön matschig. Als ich den Bach queren möchte, wird mir klar, warum ich nur Hufabdrücke im Matsch gesehen habe: Es gibt keine Brücke, nur ein Furt. Reiter bekommen bei einer Furt bekanntermaßen keine nassen Füße. Etwas weiter rechts ist ein Baumstamm über den Bach gefallen. Aber da der Bach hier circa einen halben Meter tief eingeschnitten ist, sehe ich von diesem Drahtseilakt ab. An der Furt ist der Bach nicht so tief, beherzt und vorsichtig zugleich balanciere ich über wackelige Steine hinüber auf die andere Seite.
Durch das Pleiser Ländchen
Das Sträßchen hat das Tal verlassen, nur noch der Feldweg zwischen den Wiesen. Es ist wunderbar ruhig und eine sonnige Bank mit schönem Blick lädt ein zum Rasten. Hinter Uckerrath verlasse ich den X-Weg um etwas weiter im Süden noch mehr in der Sonne zu gehen. Auch hier habe ich wieder viele Wiesen im Blick und erstaunlicher Weise sind diese fast alle gestreift: breite Streifen wie hineingekämmt. Ein Traktor auf der Wiese am Weg ist gerade dabei: Mit einer Art sehr breiten Egge mit schmalen Klingen darunter schleppt der Bauer die Wiesen ab. Distel und andere große Pflanzen werden niedergedrückt beziehungsweise zerschnitten.
Auf der anderen Seite des Tales führt mein Weg am Eulenberg vorbei. Schon auf der Karte war zu sehen, dass hier anstelle des Gipfels ein See in einem alten Steinbruch liegt. Wie so oft im Siebengebirge und auf der anderen Rheinseite hat man das harte Basaltgestein, das den Berggipfel bildete, abgebaut. Zurück blieb ein tiefer Steinbruch, der sich teilweise mit Wasser gefüllt hat. Auf einem Rundweg um diesen Steinbruch herum hat man immer wieder schöne Blicke auf den dunklen runden See mit den felsigen Ufern, der aussieht wie ein Kratersee. Seit 2008 ist steht das Gebiet unter Naturschutz, die trockenen, felsigen Standorte sind Lebensraum vieler seltener Tiere und Pflanzen. Ich werde im Sommer wiederkommen, vielleicht sehe ich endlich mal wieder einen Schwalbenschwanz.
Da hier alle Bäche nach Norden Richtung Hennef zur Sieg fließen, wandere ich stetig auf und ab und quere ein hübsches Wiesental nach dem anderen. Es gibt keine markierten Wanderwege und also auch keine Wanderer. Ich begegne nur Kindern aus den Dörfern und einigen wenigen Spaziergängern mit Hunden. Dafür sehe ich einen Rehbock. Er steht mitten auf der Wiese in sicherer Entfernung und schaut in aller Ruhe herüber. Etwas später sehe ich noch ein kleines Rudel mit fünf Rehen auf einer Wiese. Ein Milan zieht mit seinem markanten, eleganten Flugstiel seine Kreise.
Am Quirrenbach folge ich auf einem ungewöhnlich eben angelegten Schotterweg dem Tal nach Norden. Eine Tafel in Rostingen erklärt, warum dieser Weg so eben ist: Auf ihm verlief in der ersten Hälfte des 20 Jahrhunderts eine Bahntrasse für den Personenverkehr nach Siegburg! Erstaunlich, bis zur neuen Bahntrasse sind es nur wenige Kilometer, aber die dient nicht dem Nahverkehr. Von der ICE-Trasse Köln-Frankfurt haben die Menschen im Pleiser Ländchen nur den Lärm. Aber am Quirrbach ist es noch ruhig, da nicht mal eine Straße diesem schönen Tal folgt.
Im Siebengebirge
Hinter dem nächsten Hügel unterquere ich die Autobahn und kurz darauf die ICE-Stecke. Dann beginnt das Siebengebirge und es geht durch schönen alten, aber noch gänzlich kahlen Buchenwald hinauf zu der großen Wiese beim Restaurant Löwenburg. Dort wurden vor einigen Jahren neue Obstbäume gepflanzt um die Streuobstwiese zu erhalten. Nun stehen rechts und links des Weges junge und alte Apfel- und Birnbäume. An den neuen Bäumen kann man noch die Namensschilder lesen, alte, regionale Sorten wie zum Beispiel die rheinische Schafsnase sind darunter. Und alle Bäume tragen dicke Knospen, nicht mehr lange und die Blüten werden sich öffnen.
Leider ist es schon etwas spät, also ich lasse ich mir heute den Aufstieg zur Löwenburg entgehen. Sonst, wenn ich hier wandern bin, laufe ich immer hoch zur Burg und genieße die tolle Rundumsicht. Der Blick nach Westen geht über das breite, silberne Band des Rheins hinweg zur Eifel mit ihren nahen und fernen Höhenzügen. Im Norden und Süden die anderen großen und kleinen Gipfel des Siebengebirges mit ihren steilen Flanken, die die Bezeichnung Gebirge im Vergleich zu den langestrecken Höhenrücken der Eifel erklären. Der Blick nach Osten geht zurück über das Pleiser Ländchen mit seinem kleinräumigen Wechsel von Wiesen, Wäldern, Tälern und niedrigen Bergkuppen, eine schöne abwechslungsreiche, offene Kulturlandschaft.
Über die Breiberge wandere ich weiter. Die Abendsonne leuchtet hinterm Drachenfels, der Rhein glänzt im Tal. Und hier schon fast im Rheintal haben die ersten Buchen ihre durchscheinenden Blätter entfaltet, ganz fein noch mit einem weichen Haarsaum am Rand. Dann geht es steil hinab nach Röhndorf mit seinen hübschen alten Häusern und weiter zum Bahnhof.
Alles in allem eine tolle Frühlingstour, immer der Sonne entgegen! So leuchten die Wiesen mit ihrem frischen Grün. Zwischen den Wiesen geht es oft über geschotterte Feldwege oder auch mal über kleine Sträßchen, schmale Pfade sind es nur in den Waldstücken. Vieles hätte ich auch gut mit dem Rad fahren können. Wenn man die paar größeren, vielbefahrenen Straßen meidet, bietet sich das Pleiser Ländchen auch als Radtourengebiet an. Im Sommer dann!