Im Bergischen Land westlich von Köln sind die Berge eher langgezogene Hügelrücken. Lohnende Gipfelziele für Tagestouren gibt es nicht. Wenn nicht der Gipfel das Ziel ist, muss der Weg das Ziel sein! Zwar kann man auch ausgeklügelt schöne Rundtouren machen hier, aber besonderers reizvoll sind Streckenwanderungen! Das ist der Vorteil in der Nähe von größeren Städten unterwegs zu sein, man kann leicht von einer Bahnstation zur nächsten wandern.
Einen ganz besonderen Reiz hat es für mich, von einer Zugstrecke zu einer anderen Zugstrecke hinüber zu laufen. Das habe ich im Kölner Umland schon häufig gemacht: von der Siegstrecke an die Bahnlinie nach Gummersbach/Marienheide/Meinerzhagen und an die rechtsrheinische Bahnlinie oder in der Eifel von der Linie nach Bad Münstereifel hinüber zur Strecke nach Gerostein/Trier.
Diesmal soll es von Siegburg nach Honrath gehen. Im Februar ist es noch nicht so lange hell, deshalb soll die Strecke nicht zu lang sein. Im Sommer bietet sich Overath als Ziel ebenfalls an, dann kann man das wunderschöne Naafbachtal länger genießen!
Vom schicken ICE-Bahnhof Siegburgs gehe ich Richtung Michaelsberg, dessen weißen Turm ich schon bei vielen Wanderungen in der Ferne leuchten gesehen habe. Da ich erst gerade losgelaufen bin, spare ich mir den Abstecher auf den „Gipfel“ und quere über die Schulter des Hügels nach Norden.
Die Zeitstraße Richtung Neunkirchen-Seelscheid gibt die Richtung vor, ich aber folge kleineren, ruhigeren Straßen, die etwas weiter östlich parallel verlaufen. Hübsche Jugenstilhäuser und weniger schöne Zweckbauten aus den späteren Jahrzehnten säumen die Straße mit dem kuriosen Namen „Auf der Papagei“.
Nachdem ich die Autobahn unterquert habe, komme ich durch ein kleines Wäldchen am Seidenberg. Das Wäldchen haben die Mountainbiker mit einem dichten Netz von Pfaden mit Rampen und Schanzen durchzogen, der Wald dient ihnen als Spielplatz. Dann geht es noch durch eine zu Siegburg gehörende Siedlung mit einer wilden Mischung aus Ein- und Mehrfamilienhäusern der verschiedenen Jahrzehnte der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts. Auch der Wald, der sich an die Siedlung anschließt, scheint eine bewegte Geschichte erlebt zu haben, Gräben, Löcher und Hügel überall. Warum der Wald so umgegraben wurde, erschließt sich leider mir nicht.
Beim nächsten Querweg, der laut Karte jenseits der Zeitstraße weiter geht, biege ich links ab und quere die viel befahrene Straße. Das ist etwas unangenehm, da man zwischen Fahrbahn und Radweg die Leitplanke überklettern muss. Mit kleinen Kindern oder gar Kinderwagen müsste man in Siegburg schon auf die andere Seite der Zeitstraße wechseln (wie unten auf der Karte eingezeichnet).
Im Lohmarer Wald biege rechts ich in den als Radroute ausgeschilderten Forstweg ein. Jetzt geht es wieder nach Norden. Dieser Teil des Waldes wird auch als Friedwald genutzt. Bei dieser neuen Variante des Friedhofes werden Urnen im Wald an markierten und von den Angehörigen bezahlten Bäumen begraben. Kleine Schildchen oder auch nur die Baumnummer weist auf die Gräber hin. Mir ist diese Form des Erinnerns ohne polierte Grabsteine geharkte Kieswege sympathisch. Allerdings fahren auf dem kurzen Stück Waldweg im Friedwald drei Autos an mir vorbei, deren Fahrer offensichtlich den Weg zum Grab abkürzen wollen. Das ist dann doch eine etwas widersinnige Entwicklung!
Kurz bevor ich den Ort Heide erreiche, öffnet sich der Wald und über eine große Wiese zur Linken hat man einen weiten Blick über das bergische Gehügel. Heide und wenig später auch Birk streife ich am Ortsrand. Hinter Albach treffe ich auf einer Weide auf eine Schafherde mit Lämmern, eine lebhaftes Geblöke!
Hier sind die Hügelkuppen besiedelt, Wiesen und Äcker umgeben die Dörfer. Der Lohmarer Wald ist nur noch an den Hängen der Berge vorhanden. Ich genieße den Blick, der sich bietet, denn er scheint kostbar zu sein. Als ich in Algert dem Kamm auf der Dorfstraße folge, sind zwischen den breiten, flachen Häusern rechts und links jeweils Garagen oder Hecken und blickdichte Zäune. Keiner darf von der Straße aus den Ausblick der Hausbesitzer „mitbenutzen“.
Das Jahrbachtal mit seiner vielbefahrenen Landstraße quere ich auf kürzestem Weg. Auf der Höhe zwischen Kreuzhäuschen und Breit entschiede ich mich, dem kalten Wind auf der Höhe auszuweichen und durch das Tal des Ümichbaches hinunter ins Naafbachtal zu wandern. Dort staune ich nicht schlecht über Schneereste und vereiste Wegstücke an den schattigen Stellen! In Köln ist kein Fitzelchen Schnee übrig.
Der kleine Bach mündet in den Naafbach, dem ich nach Norden folgen will. Am Ufer ist es so kalt, dass sich fragile Eisgebilde knapp über dem Wasserspiegel gebildet haben, sehr hübsch. Wenig später wäre ich für eine tragfähige Eisschicht dankbar gewesen ;-).
Ich biege rechts ins Naafbachtal ein und lasse mich auch von den Warnungen zweier Spaziergängerinnen nicht aufhalten, die vor umgestürzten Bäumen warnen. Wir sind hier schon oft über Baumstämme geklettert, da diese an diesem unzugänglichen Hang sehr lange liegen bleiben, es ging immer irgendwie. Friederike hat aber wirklich ganze Arbeit geleistet, die Fichtenstämme liegen kreuz und quer in bis zu drei Stockwerken übereinander. Mit dem Rucksack komme ich meist nicht untendurch und muss sehr viel kraxeln und balancieren.
Nachdem der Weg nicht mehr zu erkennenist, ein Ausweichen den Hang hinauf oder hinab unmöglich ist und nicht abzusehen ist, wie lang es durch die Windwurffläche gehen wird, bleibt mir nur der Weg zurück mit großem Umweg oder der Weg über den Naafbach. Bei Temperaturen um die null Grad ist es keine gute Idee, durch den Bach zu waten, so hoch sind meine Bergstiefel nun auch nicht. Doch hier hilft mit Friederike netterweise aus der Patsche: Ganz in der Nähe sind mehrere Bäume über den Bach gefallen. Über die Stämme balancierend komme ich einigermaßen manierlich über das Wasser.
Zur Nachahmung empfehle ich dieses Kraxelabenteuer nicht! Besser ist es, wie auf der Karte unten eingezeichnet, den Weg von Deesem hinunter ins Wenigerbachtal zu nehmen und bei dessen Mündung den Naafbach auf einer ordentlichen Brücke zu überqueren. Aber auch ich gelange auf den Schotterweg auf der westlichen Seite des Tales, der außerdem gerade noch in der Sonne liegt. Alles wieder gut also.
Mitte Februar steht die Sonne noch recht tief und die Schatten werden im Tal immer länger, ich beschieße, schon hier das Tal zu verlassen und ab Weeg über die sonnigen Höhen zu wandern. Der schöne breite Höhenrücken ist zum Wandern eigentlich wenig geeignet, denn ein Dörfchen reiht sich hinter das andere an der recht befahrenen Hauptstraße. Ich versuche mich parallel dazu auf Nebensträßchen und Feldwegen durchzuschlängeln, es ist ein ziemliches Gestückel und Auf und Ab durch ein kleines Seitental.
Von der Höhe bei Höffen genieße ich den letzten Ausblick über das Aggertal und die bergischen Hügel. Die Sonne nähert sich als großer, leuchtender Ball dem Horizont. In der Ferne im Rheintal leuchten die Dampfwolken der riesigen Raffinerien bei Wesseling. In einer Stunde geht ein Zug von Honrath, das könnte reichen. Ich lege einen Zahn zu und steige hinab ins breite Tal der Agger. Durch Neuhonrath und Honsbach eile ich nach Naafshäuschen. Von dort quere ich eine Hangschulter, laufe an der alten, weißen Kirche von Honrath vorbei und die letzten Meter hinunter zum Bahnhof Honrath. Früh genug, um mein Ticket zu stempeln und noch zwei Bilder bei Instagram zu posten: bergische Wiesen und der Sonnenuntergang. Dann kommt der Zug.
Mein Fazit: Das war wieder eine schöne, lange, aber nicht zu lange, sehr vielfältige Streckentour mit einer spannenden, kleinen Abenteuereinlage!