Im Herbst versuche ich immer alle Sonnenstrahlen einzusammeln, die es noch einzusammeln gibt. Dann suche ich auf der Landkarte die baumfreien Hochflächen und plane Touren, die die besonnten, aussichtsreichen Höhen verbinden. Denn da die Sonne jetzt bereits deutlich tiefer steht, sind die im Sommer so anziehenden Talwege am Morgen noch und auch schon am späten Nachmittag wieder schattig.
Eine unserer Lieblings-Herbsttouren führt vom Rhein bei Rolandseck nach Westen und im weiten Bogen nach Süden und zurück an den Rhein bei Remagen. Auf diese Weise haben wir die tolle Silhouette des Siebengebirges immer wieder im Blick und sind gleichzeitig weit weg von den Menschenmassen, die sich bei sonnigem Wetter zwischen und auf den sieben Gipfeln tummeln.
Da die Strecke dieser Herbstrunde mit fast 19 km und einigen Schotter- oder Teerwegen nicht uneingeschränkt kindertauglich ist, sind wir sie sein vielen Jahren nicht mehr gelaufen. Heute habe ich kinderfrei und nutze kurzentschlossen die Gelegenheit.
Vom Bahnhof Rolandseck aus geht es direkt nach Westen den Berg hinauf. Der Wanderweg Richtung Oberwinter ist etwas schwer zu finden. Der Teerweg hoch zum Wildgehege ist in jeder Hinsicht eine Sackgasse: Weder geht es rechts noch links am Gehege vorbei und, selbst wenn man den Eintritt bezahlen würde und in den Park hineinginge, man käme oben nicht heraus.
Der richtige Weg, ein Pfad auf der rechten Seite des kleinen Tales ist schwer zu finden, da er so über eine Wiese neben einem Haus am Waldrand verläuft, dass ich zuerst das Gefühl hatte, das kann der Weg nicht sein, aber er dann sehe ich doch wieder eine blaugelbe Markierung, wohl ein Stück eines der Jakobswege. Zügig führt der Fußweg bergan und verlässt das Tal nach eine Weile rechts den Hang hinauf. Oben angekommen stoße ich auf die hübschen weißrote Markierungen des Rheinburgenweges und das schlichte R des älteren Rheinhöhenweges.
Da der Rheinburgenweg schon bald nach Westen abbiegt, ich aber noch eine Blick von oben auf den Rhein werfen möchte, folge ich seinem Vorläufer mit dem R. Zwischen den Villen auf der Höhe von Oberwinter kann man immer mal ein Stückchen Rhein erhaschen, aber erst am Fußweg zum Bahnhof hinunterwird der Blick frei zum Rhein.
Jetzt kann ich dem Rhein den Rücken kehren, den Höhenrücken verlassen und weiter nach Westen gehen. Im Tal kommt mir der Rheinburgenweg (der auf meiner Karte noch nicht eingezeichnet ist) entgegen. Aber anders als dieser will ich einen großen Bogen schlagen. Ich gehe ganz unmarkiert und ohne Wegweiser auf Schotter- und Wiesenwegen über einen flachen, sonnigen Wiesenhang an Bandorf vorbei wieder den Berg hinauf und schlängle mich zwischen Wiesen und Waldstücken hindurch Richtung Ödingen.
Am Waldrand kurz vor Ödingen öffnet sich die Sicht nach Westen: Die weiße Kugel des Radoms, einer Radaranlage eines Frauenhofer-Instituts, ist fast zum Greifen nah, im Süden und im Westen die dunklen Höhenzüge der Eifel, beginnend mit den Gipfeln jenseits des Ahrtales. Ich wende mich nach links und bald nochmals nach links und besteige eine etwas merkwürdige Erhebung. Auf einer alten, seit vielen Jahren abgedeckten und renaturierten Mülldeponie wurde ein Aussichtshäuschen errichtet mit Wiese darum. Die Aussicht ist unverstellt und umfasst 360 Grad. Der Blick zurück Richtung Osten, zum Siebengebirge ergänzt das Panorama von eben, vom Waldrand, zur Rundumsicht.
Nach einer ausgiebigen Mittagspause wende ich mich Richtung Südwesten und gehe über die Felder in Richtung des Bengerthofes. Selbst hier oben auf der Höhe so weit weg vom Ahrtal werden auf einigen Felder Weintrauben angebaut, ob zum Trinken oder Essen, ich weiß es nicht.
Vielleicht gibt es auch einen Obsthof in der Nähe? Eine große, bereits abgeerntete Apfel-Plantage mit Spalierbäumen befindet sich rechts des Weges. Leider ist sie eingezäunt, sonst hätte mir schon den einen oder anderen der schönen Äpfel, die dort auf dem Boden liegen, als Wegzehrung in den Tasche gesteckt. Es geht nichts über so frische Äpfel im Herbst! Bei der nächsten Tour muss ich vielleicht auch noch Karten von mundraub.org in die Planung mit einbeziehen. Zwischen den Weiden und großen Gebäuden des Reiterhofs Bentgerhof treffe ich auf die Dreiecksmarkierung des Eifelvereins und folge ihr Richtung Südosten.
Nun geht es eine Weile durch den Wald, allerdings auf einem lustig geschlängelten Weg. Wäre er nicht so ordentlich mit dem Dreieck markiert, hätte ich öfters die Karte konsultieren müssen, so lasse ich mich einfach mal rechts, mal links lotsen. Relativ unvermittelt erhebt sich in diesem flachen Waldstück links des Weges ein steiler Hang. In der Mitte ist er mit grobem, losem Geröll bedeckt. Die Karte weist dies als Gipfel des Scheidskopfes aus. Da die oberen Hangbereiche noch von der Sonne beschienen sind, kann ich der Versuchung nicht widerstehen und kraxle die steile Blockhalde hinauf. Leider kann man doch nicht über die Baumwipfel schauen und die Gipfelkuppe ist ziemlich zugewuchert. Auch hier wurde wie bei so vielen anderen vulkanisch entstanden Gipfeln in dieser Gegend Basalt abgebaut. Aber im Vergleich mit den Basaltsteinbrüche am Dungkopf ganz in der Nähe war der Abbau wohl nicht so attraktiv.
Weiter geht es der Dreiecksmarkierung hinterher zum Waldrand. Jetzt muss ich keine Hänge mehr erklimmen, die Sonne leuchtet zwischen den Buchen hindurch und lässt das Laub orange leuchten. Die merkwürdigen Doppel- und Dreifachstämmen der Buchen weisen auf die historische Nutzung als Niederwald hin: Hier wurden die Bäume „auf den Stock gesetzt“, die Stümpfe trieben wieder aus. Deshalb entspringen mehrere Stämme einem knorrigen Stumpf.
Dann am Waldrand folge ich weiter dem Dreieck nun über die Felder. Vor mir der Gipfel der Landeskrone. Ein Berg mit beeindruckendem Namen, bei dem der Gipfelgenuss allerdings durch das Rauschen der nahen A61 etwas eingeschränkt ist. Ich freue mich an der hübsche Silhouette im goldenen Novemberlicht und lasse die Krone ansonsten rechts liegen.
Als ich über die Felder laufe, höre ich schon von weitem lautes Vogelgezwitscher. Immer mal wieder fliegen kleine Schwärme auf. Beim Näherkommen sehe ich dann auch die auf den Stromleitungen aufgereihten kleinen schwarzen Vögel. Es sind Stare die sich zum Zug in südlichere Gefilde gesammelt haben.
An der Kreuzung nach der Stromleitung folge ich dem breiten Landwirschaftsweg nach links Richtung Remagen. Der Weg führt mich direkt an den Weiden der Straußenfarm Gemarkenhof vorbei. Durch die Hecken kann man die mächtigen Vögel sehen, aber der Autofokus der Kamera bekommt nur die Zeige im Vordergrund scharfgestellt. Schade, wann hat man schon mal so viele Strauße vor der Linse? Ich folge weiter dem Weg Richtung Osten vorbei am villenartigen Forsthaus Erlenbusch. An der nächsten Kreuzung nehme ich den Teerweg rechts, der von riesigen, alten Birnbäumen gesäumt wird. Über die Felder habe ich wieder eine schöne Blick nach Osten auf das Siebengebirge und die Gipfel weiter südlich.
An der T-förmigen Kreuzung biege ich Richtung Rhein ab, folge dem Weg zwischen den großen Bauernhöfen hindurch zum Waldrand. Hier treffe ich erneut auf den Rheinburgenweg und wähle den Zuweg Richtung Bahnhof Remagen. An dem auf der Karte verzeichneten Aussichtspunkt sieht man endlich wieder den Rhein und die neugotische Apolinariskirche mit ihren schlanken Türmchen.
Hier oben steht noch die Ruine eines ehemals feudalen Ausflugslokals und verfällt langsam. Der Glanz der vergangenen Zeiten ist noch gut zu erahnen, der Verfall ist aber leider schon sehr weit fortgeschritten.
Nun ist es nicht mehr weit zum Bahnhof, wo ich der Mittelrheinbahn nach Köln bei Abfahren zusehen kann. Naja, nicht so schlimm, es fahren ja halbstündig Züge nach Norden und nach dieser Sonnentour bin ich sowieso tiefenentspannt. Der Regionalexpress bringt mich dann nach dieser aussichtsreichen Herbst-Wanderung wieder nach Hause.